Sunnebüel Refurbished

Farbenfrohe Neuauflage des Architekturklassikers für einen narzisstischen Ordnungsfanatiker.





Oft agieren wir beim Entwerfen mehrheitlich an der Oberfläche. Meist mangelt es an Zeit, da komplexe Aufgabenstellungen während eines Semesters vergleichsweise kompakt abgehandelt werden. Gründe für die fehlende Tiefe eines Projektes liegen vermutlich auch darin, dass wir, vor allem unter Druck, konditioniert reagieren. Wir neigen dazu, musterhaft zu antworten, obwohl wir noch kaum verstanden haben, wonach im Projekt eigentlich gefragt wird.
Anhand einer alltäglichen Raumsequenz – aus dem Bad auf die Strasse – hinterfragt der Kurzentwurf angebliche Konventionen und sucht das Spezifische im Gebrauch und der Atmosphäre. Als räumliches Grundgerüst dient das Einfamilienhaus Sunnebüel in Küsnacht-Itschnach der Architektin Lux Guyer aus dem Jahr 1930. Die Dimensionen des Hauses und dessen Raumstruktur wurden beibehalten, während die räumliche Ausstattung inklusive der Farben und Oberflächen neu zu bestimmen waren. Die Inhaltsebene von Plan und Bild wird im Projekt vertauscht: Räumliche Plandarstellungen stehen neben flachen, auf Linien und Punkte reduzierte Handzeichnungen. Untermalt werden die Darstellungen vom «Kopfkino» des Protagonisten, der seine morgendliche Routine schildert.
Die räumliche Abfolge des Projekts widerspiegelt den Charakter eines narzisstischen Ordnungsfanatikers. Ausgehend vom Aufstehen, über das Bad bis zu dem Moment, an dem er vor dem Haus steht, sich umdreht und die Tür abschliesst, führt die Sequenz vom nackten zum angekleideten Zustand. Die Essenz des Alltäglichen wird überhöht und die Ausstattung durch Gewohnheiten des Nutzers geformt.
Die Farbhorizonte proportionieren die Räume. Weiss gekachelt zieht sich der Boden vom Bett über das Badezimmer bis zur Ankleide, wo er zur runden Bühne wird. Die Ausstattung steht im Dienste der Ordnung: Der klappbare Spiegel verbirgt Hygieneutensilien, verborgene Türen lassen schmutzige Wäsche verschwinden und kleine Nischen bieten Platz für das ungern gesehene alltägliche Allerlei.

Am Itschnacherstich 1, Küsnacht-Itschnach
Schweiz, N47°19'36.3 E8°35'55.2
Hochschule Luzern, Studio Christian Zimmermann
6. Semester, Frühling 2019
Verfasser: Bela Zwygart, Tobias Lutz

Das am Vorabend programmierte
Lied weckt mich auf. Ich schlage die
Bettdecke zur Seite, schlüpfe in meine
Pantoffeln und taste mich durch das
gedämpfte Licht bis zur
Badezimmertür vor. Der rechte
Türflügel gibt meinem Druck sofort
nach und ich betätige den
Lichtschalter am Möbel neben dem
Waschtisch.



Meine Pantoffeln stelle ich
feinsäuberlich in eine Nische, welche
in Bodennähe in die Wand
eingelassen ist und widme mich der
morgendlichen Rasur. Danach
entledige ich mich mit kurzen
Handgriffen meiner Schlafbekleidung
und hänge sie auf den dafür
vorgesehenen Bügel im
Badezimmerschrank. Nackt und
frisch rasiert steige ich in die Dusche
und lasse mich vom Wasser
erfrischen. Tropfend schiebe ich den
Vorhang zur Seite und reibe mich
trocken. Nur mit dem Frottiertuch
bekleidet gehe ich meiner
morgendlichen Routine vor dem
Spiegel nach.



Ich stosse die Türe auf der anderen
Seite des Badezimmers auf und gehe
direkt in Richtung Kleiderschrank, wo
ich mein Badetuch zum Trocknen
über eine Stange hänge. Ich
entscheide mich für ein Hemd und die
passende Hose, nehme meine Uhr
und den Gürtel aus der Kommode
und bemerke die Notiz, welche mich
an die kommende Sitzung erinnert. Im
Spiegel direkt neben dem Fenster
begutachte ich mein Ebenbild.
Zufrieden wende ich mich ab und
schreite die Treppe ins Erdgeschoss
hinunter.



Im Eingangsbereich angekommen
lasse ich mich in die Sitznische fallen
und schnüre meine Schuhe. Beim
Herausgehen greife ich nach dem
Mantel an der Garderobe. Ich trete
nach draussen, hinter mir fällt die
schwere Tür mit einem Klicken ins
Schloss. Ich drehe den Schlüssel um
und lasse ihn in meine Manteltasche
gleiten. Bevor ich mich abwende prüfe
ich noch ein letztes Mal, ob die Tür
auch wirklich verriegelt ist.



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