Pop-Up im Rebberg

Acht funkelnde Stützen und ein wogendes Dach als ephemere Bühne für edle Tropfen.





Jedes Jahr im Frühherbst, säumen anlässlich der „Twanner Weinstrasse“ zahlreiche temporäre Stände und Zelte die Strässchen in den Rebbergen oberhalb des Dorfes Twann am Bielersee und laden zur Weindegustation ein. Die Hauptattraktion zwischen den kleinen Ständen soll eine grössere Art „Pop-Up-Beiz“ für ca. 50 Personen werden: Ein gedeckter Raum mit Tresen, Tischen und Sitzgelegenheiten für den alljährlich wiederkehrenden Anlass von begrenzter Zeit. Das vorgeschlagene Projekt widmet sich dem zeitlichen Aspekt und macht aus dem temporären Anlass mit einem minimalen Eingriff ein ganzjähriges Spektakel.
Ein Funkeln zwischen den Rebstöcken in ihrem Herbstkleid weist schon von weitem auf das Objekt hin. Mehr Kunstinstallation als Bauteil, bilden die verchromten Stützen während zehn Monaten ein Versprechen, nur um pünktlich zum Herbstanfang einen Raum für die Geselligkeit des Weintrinkens aufzuspannen. Inmitten der geschwungenen Jurahänge, wo sich organische Rebenreihen zu schrägen Stützmauern gesellen, wirkt die Perfektion der glänzenden Objekte irritierend. Ohne Kapitell oder Sockel schiessen sie aus dem Erdreich, gerade so als würden die modernen Stahltanks der Weinindustrie direkt im Rebberg in Reih und Glied aufgestellt. Schwer und dunkel lastet das zwischen Installation und Rebkultur gehängte Tuch wie ein wogendes Meer aus Wein über der Strasse.
Die unregelmässige Form dieser Bedachung resultiert aus der Rückverankerung im unebenen Hang und ist Zeuge der Diskrepanz zwischen gewachsenem Rebberg und 
gebautem Objekt. Zur Stützmauer hin verengt sich der Raum zu einem niedrigen Durchgang, nur um sich in Richtung See theatralisch gen Himmel zu strecken. Durch die Form entstehen zwei Räume; einer schmiegt sich an die Bruchsteinmauer entlang des Hangs, wo in gedämpftem Licht dem edlen Tropfen gefrönt wird; der andere scheint sich bis in die Weiten des Bieler-Seelandes zu erstrecken und gewährt einen Blick auf Twann und die Petersinsel. Wo die spiegelnden Sonnenschutzvorhänge geschlossen sind, erweitern sie den Raum in eine imaginäre Dimension, in der die Handlung des Weintrinkens überhöht wird und die Grenzen von Raum und Zeit verwischen.

Rebweg, Twann
Schweiz, N47°05'46.7 E7°09'38.9

Hochschule Luzern, Studio Christian Zimmermann
6. Semester, Frühling 2019
Verfasser: Bela Zwygart, Tobias Lutz

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